Lübecker Nachrichten vom 16.09.2007:
Ausnahmezustand in Travemünde: Mit 1250
Einsatzkräften trat das Technische Hilfswerk gestern zur bislang größten
Übung an.
Schweres Gerät an der Nordermole, Helfer in weißen
Schutzanzügen, Gesichter verborgen hinter Atemschutzmasken, dröhnende
Stromaggregate und rote Ölsperren füllten den Strand vor der Travemünder
Kurpromenade. Da wirkten die letzten Strandkörbe wie verschüchterte
Überbleibsel eines verloren gegangenen Sommers. Aus ganz Deutschland kamen
die Einsatzkräfte nach Lübeck. Wer die THW-Einsatzzentrale auf dem Parkplatz
Leuchtenfeld nicht fand, wurde zuweilen auf bayerischer Mundart des Weges
gewiesen.
Das Technische Hilfswerk und das Havariekommando
Cuxhaven wollten bei ihrer bislang größten Übung dieser Art, die insgesamt
350 000 Euro kostete, die Schlagkraft im Ernstfall prüfen. Beide
Organisationen sind für die Ölabwehr an den Küsten und Stränden der vier
norddeutschen Küstenländer zuständig.
Das Übungsszenario war eine Ölkatastrophe größeren
Ausmaßes. Danach war ein Tanker westlich der Kadetrinne mit einem
Küstenmotorschiff kollidiert und verlor innerhalb kurzer Zeit 10 000 Tonnen
schweres Heizöl. Das Öl trieb bei starkem Wind auf die Küsten der
Ostseebäder Travemünde und Boltenhagen zu.
Aufgabe der Spezialkräfte war es, Ölteppiche
einzudämmen, Öl von der Wasseroberfläche aufzunehmen und die verschmutzten
Strände zu reinigen. Ein wichtiger Bestandteil der Übung war auch der Aufbau
von Führungs- und Versorgungsstrukturen. Den ganzen Tag über filmte die
Bundespolizei vom Hubschrauber aus den Einsatz. Per Fernseher konnte die
zentrale Einsatzleitung im Feldlager auf der Teerhofsinsel die Übung
permanent verfolgen.
Den in der Übung vorgegebenen starken Wind gab es
auch in Wirklichkeit. Wegen des Windes und der hohen Wellen musste der
Einsatz in Boltenhagen abgebrochen werden. Und am Brodtener Steilufer wurde
ein anspruchsvoller Einsatz wegen defekter Geräte vorzeitig beendet. Dort
sollte eine Höhenförderstrecke eingerichtet werden, die Öl aus der Ostsee
über eine Strecke von 200 Meter abpumpt und dabei einen Höhenunterschied von
30 Metern überwindet.
"Bei Übungen dürfen wir Fehler machen", sagte
THW-Mitarbeiter Stefan Mühlmann aus Nürnberg. Schließlich sei es das Ziel,
Schwachstellen aufzudecken. Denn im Ernstfall müsse alles glatt laufen. Die
Einsatzkräfte standen unter ziemlichem Stress. In der Nacht zum Sonnabend
waren sie aus ganz Deutschland zum Feldlager auf die Teerhofsinsel gebracht
worden. "Die Lastwagen fuhren rein und raus, das war ein Kommen und Gehen.
Da kam man kaum zum Schlafen", sagte Mühlmann.
Das THW äußerte sich gestern in einer ersten Bilanz
zufrieden mit der Übung. Es werde aber Wochen dauern, bis alle
Einsatzbereiche unter die Lupe genommen worden seien.
Es war imposant, was das Technische Hilfswerk in
wenigen Stunden vor Travemünde auf die Beine stellte: Straßen wurden über
den Strand gelegt, damit die schweren Maschinen nicht versinken konnten, ein
Hägglund-Kettenfahrzeug fuhr fast spielerisch in die Ostsee, um Ölsperren zu
bergen, Einsatzkräfte beförderten Seetang, der als Ölersatz diente, in die
Schaufeln von Radladern, bauten Festkörpersperren auf und übten das
"Verschließen der Trave". Trainiert wurde auch das "Dekontaminieren" von
Helfern. Denn Öl sei "verdammt giftig", sagte Mühlmann. Stunden vor dem
Start des Großeinsatzes hatten THW-Experten Sendemasten für
Telefonverbindungen aufgebaut und die Einsatzkräfte miteinander vernetzt.
Der Aufwand war gewaltig: 50 000 Überstunden
leisteten die Einsatzkräfte, 270 Fahrzeuge wurden an die Küste gefahren, 10
000 Mahlzeiten an die Helfer verteilt. Am Großeinsatz beteiligt waren unter
anderem acht THW-Landesverbände und 86 Ortsverbände sowie zwölf Feuerwehren.
Hier 50 ausgesuchte Fotos die von mir bei dieser Übung
gemacht wurden: